Donnerstag, 8. Oktober 2015

Stell dir kurz mal vor, du wärst ich


Ich weiß, dass ist keine leichte Aufgabe. Wenn ich mir einfach hätte vorstellen können, wie es ist als echter Finne in Finnland zu leben, wäre ich jetzt nicht hier und auf dem besten Weg wirklich einer zu werden. Trotzdem, versuch es bitte:

Gestern Abend um ca. halb zehn saß ich, frischgeduscht und im Schlafanzug, in meinem Zimmer und versuchte einen neuen Beitrag zum Thema Schule zu verfassen. Aber ich war schon halb am Verzweifeln, da meine Formulierungen jedes Mal falsch klangen und nicht das ausdrückten, was ich zu sagen versuchte. Ich weiß, dass jetzt die Vermutung nahe liegt, dass ich auf ganzer Linie versagt hätte, da ich nicht mal meine Muttersprache beherrsche. Aber ich glaube nicht, dass das stimmt, so schlecht ist mein Deutsch nämlich gar nicht. Ich glaube, ich hatte eine Vorahnung.
Aber worauf nur? 
Ich wusste es nicht.
Doch diese Frage sollte sich auf schnellstem Wege klären. Es begann damit, dass ich die Stimme meines Gastvaters hörte: "Luise, komm nach draußen!" Zuerst war ich sehr suspekt, weil es stockfinster und eisigkalt war. (Eisigkalt ist hier keine Metapher, es sind schon deutliche Minusgrade in der Nacht zu erkennen.) Doch ich habe mir nichts dabei gedacht und bin die Treppe hinunter gegangen. Meine Gastmutter war gerade dabei sich ihre Jacke anzuziehen und sagte euphorisch zu mir: „Wir können heute Polarlichter sehen. Das ist sehr selten, weil es die sonst nur in Lappland zu sehen gibt." (Nur als kleine Erinnerung, ich lebe an der Südküste, also ganz weit weg von Lappland.) Ich war dann natürlich auch ganz aufgeregt, weil einer der Punkte, warum ich nach Finnland wollte war, dass ich die Polarlichter sehen will. Also stand ich gestern ein halbe Stunde lang in meinem Schlafanzug, meinem Mantel, dicken Schal und nassen Haaren in unserer Einfahrt und habe in den Himmel gestarrt. Ich muss zugeben, dass die Nordlichter in Lappland wahrscheinlich viel schöner sind. (Zumindest von den Bildern herzu urteilen.) Weil man hier auch nur ganz wenig gesehen hat, aber ich finde es hat gereicht. Seitdem bin ich am Dauergrinsen. Ich habe aber leider keine Fotos, da meine Versuche alle nur in schwarz geendet sind. Trotzdem war es wunderschön. 
Ich glaube, ich hatte lange nicht mehr eine so schöne Woche. Es sieht aus als ob wirklich alles glatt läuft.
Ich hoffe, es geht euch genauso gut wie mir. (Obwohl ich das wirklich bezweifle, weil es mir echt richtig gut geht.)
Vi ses!
Marie Luise

Samstag, 3. Oktober 2015

Vi går i djurparken!



Die Preisfrage zu dieser Überschrift lautet: Wer kann das übersetzen?*
*Jeglicher Gebrauch von Hilfsmitteln untersagt.
Wenn du es geschafft hast, muss ich dich leider enttäuschen, weil du nichts gewonnen hast. Wenn du es nicht hinbekommen hast, kann ich dich beruhigen, du findest die Lösung am Ende dieses Beitrags. Aber bevor ich dieses Mysterium aufkläre, werde ich ein wenig von meinen letzten zwei Wochen berichten.
Ich habe mir überlegt, dass es eigentlich am besten wäre, da anzufangen, wo ich aufgehört habe, also am Nachmittag des 18. Septembers 2015.
Wie schon erwähnt, war ich auf dem Weg meine Betreuerin zu treffen. Zuerst sind wir gemeinsam mit ihrer Tochter ins Cafe Cabriole gegangen, weil es dort, laut ihrer Aussage, die besten Kuchen gibt und da ich ihr erzählt habe, wie sehr ich Kuchen vermisse, hat sie eine sehr gute Wahl getroffen. Es gab eine große Auswahl und auch geschmacklich haben sie überzeugt. Da ich hier aber keine Restaurantkritik schreibe, soll es das jetzt erst mal mit Informationen über das Essen bleiben. Wir sind dann noch zu ihr nach Hause gegangen und haben so was in der Art wie Tabu gespielt, das Spiel war nur sehr viel einfacher. Dabei konnte ich recht viele neue finnische und schwedische Wörter lernen. Deshalb konnte ich dieses Treffen als vollen Erfolg verbuchen.
Danach möchte ich noch auf mein Sprachwochenende in Helsinki zu sprechen kommen, das am darauffolgenden Samstag begonnen hat. Wir waren ungefähr 50 Austauschschüler und 10 Freiwillige. Das sind geschätzte Zahlen, ich hab nicht mitgezählt. Ich möchte nur gerade auf die Tatsache hinaus, dass wir ziemlich viele Leute waren und das YFU-Büro nicht besonders groß ist. Das hat die Sache etwas erschwert, da es permanent laut war und die Luft sehr schlecht. Deshalb haben wir uns überlegt, auch ein paar Workshops draußen zu machen. Diese Rechnung hatten wir allerdings ohne das Wetter gemacht. Das war nämlich nicht so begeistert und hat uns direkt mit Regen belohnt. Also mussten wir nach zwei Minuten schon wieder rein gehen. Ich glaube, dass ich an diesem Tag kein Wort Finnisch gelernt habe, aber ich kann jetzt auf thailändisch „Hallo“ sagen, was auch ziemlich schön ist. Die Nacht vom Samstag zum Sonntag habe ich mit zwei anderen deutschen Mädchen bei einem deutschen Austauschschüler in Vantaa verbracht. Es war ein sehr schönes Gefühl so lange mal wieder nur deutsch zu sprechen. Am nächsten Tag sind wir wieder mit dem Bus nach Helsinki gefahren und dort war für diesen Tag eine Art Stadtralley geplant. Wir haben einen Zettel bekommen mit sechs Fragen auf Finnisch und einer Karte. Ich durfte mich um die Navigation kümmern, da ich beim Übersetzen der Fragen keine große Hilfe war. Das ist eine schöne Umschreibung von mir, wie ich rumstehe, den anderen zuhöre und zustimmend mit dem Kopf nicke, egal was sie sagen. Schwedisch ist eben ganz anders als Finnisch. Nichtsdestotrotz hat es viel Spaß gemacht, auch wenn wir nicht unter den drei besten Teams waren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Wochenende im Hinblick auf das Erweitern meines Wortschatzes eher ineffektiv war, allerdings wurde das wieder rausgerissen dadurch, dass ich sehr viel Spaß mit den anderen Austauschschülern hatte. Ich habe natürlich auch ein paar Fotos gemacht. Allerdings möchte ich die meisten davon nicht ins Internet stellen, also könnt ich hier nur die sehen, auf denen weder ich noch ein anderer Austauschschüler zu sehen ist.



Diese Statue heißt „kolmen sepän patsas“, was übersetzt so viel wie die drei Schmiede heißt, glaube ich. Aber man sollte mir da eher nicht vertrauen.



Das ist der Bahnhof. Die Figuren die rechts und links neben der Tür die Fassade des Gebäudes schmücken, sind an fast allen Bahnhöfen in Finnland zu finden. Das hat mir zumindest eine Freundin erzählt.



Das ist, wer hätte es mithilfe des Bildes erahnen können, Stockmann. Es stellt Finnland größtes Kaufhaus dar.

Das war es auch leider schon von den Bildern aus Helsinki.
In der darauffolgenden Woche haben die Prüfungen angefangen. Am Donnerstag hatte ich meine Matheprüfung, die eigentlich nicht besonders schwer war, dennoch hatte ich aus unerklärlichen Gründen keine Ahnung, was ich machen sollte. Am Freitag hatte ich 3 Stunden lang Sport, aber das war eine reguläre Stunde, da wir keine Prüfung absolvieren musste. Die Prüfungswoche hat auch noch die gesamt diese Woche beinhaltet. Am Montag hatte ich frei, weil ich nur wenig Kurse hatte und deshalb auch nur wenig Prüfungen. Ich hatte mir gedacht, es wäre sehr nett, etwas Deutsches für meine Gastfamilie zu kochen. Also habe ich ihnen mein Kochbuch gegeben und sie etwas aussuchen lassen. Thüringen Klöße und Rouladen. Das ist jetzt nicht ganz so einfach zu machen. Ich habe mein Bestes gegeben, aber es hat nicht so ganz funktioniert, wie ich mir das vorgestellt hatte. Die Rouladen haben wirklich gut geschmeckt, aber die Klöße waren wirklich alles anderen als lecker. Meine Gastfamilie hat dennoch behauptet, dass es ihnen geschmeckt hat. Glauben kann ich das zwar nicht so richtig, aber ich kann prinzipiell auch nichts dagegen sagen, dass sie nett sein wollten. Am Dienstag hatte ich meine Kunstprüfung, die keine richtige Prüfung in diesem Sinne war. Wir hatten lediglich Zeit unsere Projekte fertigzustellen. Davor mussten wir aber noch Stühle und Tische in der finnischen Schule vom einen Haus ins andere tragen. Das war wirklich ein Spaß. Am Mittwoch hatte ich meine Französichprüfung und die ist meiner Meinung nach gut gelaufen. An diesem Tag ist auch ein Paket von meiner Mama aus Deutschland gekommen. Darin enthalten waren neben meinen Wintersachen und anderem Krimskrams (über den ich mich wirklich gefreut habe), auch ein Zwiebelzopf, eine Bratwurst, sowie zwei Gläser mit anderer Wurst.



Der Zwiebelzopf hängt in der Küche. Die Bratwurst ist alle und vom Rest ist auch nicht mehr viel übrig. Das waren sehr gute Geschenke.

Am Donnerstag bin ich in die Bibliothek gegangen, weil ich die fixe Idee hatte, dass ich, um mein Schwedisch zu verbessern, Kinderbücher von Astrid Lindgren lesen könnte, weil ich viele Geschichten ja schon kenne und mir das beim Verstehen sehr helfen könnte. Also habe ich mir danach umgeschaut, allerdings erfolglos. Ich habe zwar schon ein paar Bücher gefunden, aber die kannte ich alle nicht, deshalb war ich erst mal sehr enttäuscht. Auf Empfehlung meiner Mama habe ich mir dann alle schwedischen Titel, die ich kenne aufgeschrieben und bin Freitag also nochmal dahin. Und siehe da, sie hatte auch meine Lieblingsbücher. Wer Bücher von ihr kennt, müsste eigentlich wissen, dass fast alle Bücher von Ilona Wikland illustriert sind. Die Bücher, die ich gefunden habe, hatten alle andere Bilder, außer einem. Die Kinder aus der Krachmacherstraße oder auf Schwedisch „Barnen på bråkmakargratan“. Was nebenbei gesagt, mein liebstes Buch ist.


Meine letzte Prüfung hatte ich gestern und zwar in Englisch. An sich war die Prüfung ganz gut, aber wir mussten danach noch ein Leseverständnis machen und dabei konnte ich mich überhaupt nicht konzentrieren. Ich werde nach den Herbstferien sehen, wie es gelaufen ist.
Heute war ich mit einer Freundin, ihrer Schwester, ihrer Mutter und einem anderen Mädchen aus meinem Tanzkurs in Helsinki, weil wir nach Kleidern für den Ball schauen wollten. Vorneweg möchte ich anmerken, dass ich mir noch kein Kleid gekauft habe. Mir haben zwar zwei gefallen, aber ich war mir nicht sicher, ob eins das richtige gewesen wäre, also habe ich es erst mal gelassen. Wir sind heute früh halb zehn losgefahren. Zuerst waren wir in einem Geschäft namens „mecco“, dort gab es viele schöne Kleider und die Verkäufer waren richtig nett. Meine Freundin hat dort auch ihr Kleid gekauft. Dann sind wir noch in ein anderes Geschäft gegangen, dort war aber alles viel teurer und man brauchte einen Termin, um Kleider anzuprobieren. Also haben wir dort nichts gefunden. Anschließend sind wir noch ins Fazer-Cafe gegangen und haben uns im Forum, das ist ein Einkaufzentrum, umgesehen. Ich möchte anmerken, dass die Sache mit den Kleidern hier sehr ernst genommen wird. Niemand darf ein ähnliches Kleid haben wie du. Meine Freundin hatte sogar Bilder von den Kleidern der anderen ausgedruckt, damit wir sicher gehen konnten. Irgendwie fand ich das befremdlich.
Als ich wieder nach Hause gekommen bin, sind wir alle zu den Eltern meines Gastvaters gefahren. Wir haben jetzt ein neues Auto mit sieben Sitzen, also können wir jetzt auch alle zusammen mal irgendwo hinfahren. Ich finde meine Gastgroßeltern richtig nett. Erst haben wir etwas gegessen (meine Gastoma kann sehr gut kochen), dann haben wir uns alte Bilder von ihren Familie angeschaut, anschließend haben wir Kaffee getrunken und pullat gegessen. Dann sind wir auch schon wieder nach Hause gefahren. Es war ein sehr schöner Tag.
Freitags fahre ich jetzt immer abends mit meinem Gastpapa nach Helsinki, um dort Floorball zu spielen. Dort sagen mir alle, dass ich richtig gut spiele, was meiner Meinung nach ein Lüge ist, aber sie wollen bestimmt nett sein. Außerdem ist dort auch meistens ein anderer Deutscher, der in Helsinki studiert. Mein Kochkurs hat letzte Woche aufgehört. Ich habe schwedisches Knäckebrot gebacken, was ziemlich gut gepasst hat, da ich alles mitnehmen durfte und mein Gastpapa Knäckebrot liebt. Letzte Woche hatte ich auch das erste Treffen mit meinem Zeichenkurs. Das Witzige ist, dass niemand in dem Kurs Schwedisch spricht und die Lehrerin denkt, dass ich Schwedisch spreche. Also sagt sie erst alles auf Finnisch und wiederholt es für mich auf Schwedisch. Nur verstehe ich das auch nicht. Aber bis jetzt hat sie das noch nicht gemerkt, also wirke ich schon wie ein richtiger Finnlandschwede.
Von meinem Schwedischkurs bin ich ein bisschen enttäuscht. Wir haben uns jetzt schon vier Mal getroffen und haben nichts gelernt außer uns vorzustellen. Leider kann man dieses Wissen gar nicht so oft einsetzen, wie man glaubt. Ich würde wirklich gerne schon mehr sagen können. Aber wir sollten uns jetzt ein Buch kaufen und da ich das schon habe, kann ich zu Hause schon mal ein bisschen „vorlernen“.
Um deine Augen nach dem Lesen dieses ganzen Buchstabenhaufens etwas zu entspannen, kannst du dir hier ein paar schöne Bilder von meinem neuen Wohnort machen.







Danke, dass du dir die Zeit genommen hast diesen gesamten Beitrag zu lesen. Und nach diesen 1660 Wörtern kommen wir nun endlich zur Lösung meines Rätsels. 
Die richtige Antwort lautet: Wir gehen in den Zoo.
Und zwar morgen nach Helsinki. Ich freue mich riesig darauf.
Noch schönen restlichen Tag der deutschen Einheit, obwohl gar nicht mehr so viel davon übrig ist, aber beim 25-Jahr-Jubiläum kann man schon mal länger machen.
Hejda!
Marie Luise