Da jetzt schon seit mittlerweile anderthalb Wochen hier zur Schule gehe, finde ich es angebracht, über diesen Sachverhalt ein paar Worte zu verlieren.
Hier möchte ich jetzt erstmalig auf das Schulsystem in
Finnland eingehen und danach etwas zu meinen Erfahrungen preisgeben.
Das finnische Schuljahr beginnt meist im August und dauert
bis Juni des darauffolgenden Jahres. Wie
in Deutschland gibt es die Ferien nicht am Stück, sondern auf kleine Zeiträume
im ganzen Jahr verteilt. Man besucht bis zur neunten Klasse die Grundschule und
wechselt dann auf eine weiterführende Schule, auf welcher man noch drei weitere
Jahre Unterricht erhält. Ich bin auf so einer Highschool. Auf Finnisch wird sie
als lukio bezeichnet und auf Schwedisch als gymnasium. Ein Schuljahr wird in 5
bis 6 Perioden (auf Finnisch: jaksos) eingeteilt. In diesen Abschnitten kann
man seine Kurse freiwählen. Ich habe mich in der ersten Periode für Englisch,
Französisch, Kunst, Mathe und zwei verschiedene Sportkurse entschieden, hierbei
ist einer allgemein sportliche Betätigung und der andere für Ballsportarten
(bollsporter). Über „Wilma“ habe ich schon im vorherigen Beitrag ein bisschen
erzählt, also kann man dort gerne nachlesen. Man bekommt hier jeden Tag
kostenloses Mittagessen. Hierzu ist zu sagen das es nicht unbedingt das beste
Essen ist oder wie mein Gastvater es ausdrückt: „Es muss nur billig sein.“ Aber
ich will mich nicht beschweren, immerhin bekomme ich etwas. Man muss hier seine
Schulbücher selber kaufen und kann sie nicht ausleihen. Im Anbetracht, dass man
durchschnittlich fünf Kurse pro Periode und fünf Perioden im Jahr hat, müsste
man 25 Bücher kaufen, wahrscheinlich aber ein bisschen weniger, weil es nicht
für jeden Kurs erforderlich ist, ein Buch zu besitzen. Aber schon allein wenn
man mit ca. 20 Bücher rechnet, die ungefähr denselben Preis wie deutsche
Schulbücher haben, kann das recht teuer werden. Viele kaufen deshalb gebrauchte
Bücher oder leihen sie, aber manche Lehrer bestehen auf neue Bücher, da oft
Übungen auf den Seiten zu machen sind. Da ich als Austauschschüler hier bin,
muss ich mir keine neuen Bücher kaufen, sondern darf sie mir leihen. Was
wirklich nett ist. Aber auch logisch ist, da alle Bücher auf Schwedisch sind
und ich sowieso nichts verstehe.
Mein Schuljahr hat am 11. August begonnen, was für meine
Verhältnisse recht ungewöhnlich ist, da dieser Tag ein Dienstag war. Kannst du
sehr gern auf dem Kalender nachprüfen. Ich lade dich dazu recht herzlich ein. An
diesem Tag bin ich also das erste Mal
auf meine finnische bzw. schwedische bzw. schwedische Schule in Finnland
gegangen. Ich war geschätzte 30 Minuten dort, habe mir eine Begrüßungsrede der
Direktorin auf Schwedisch angehört und, wie zu erwarten war, rein gar nichts
verstanden. Dann bin ich nach Hause gegangen. Prinzipiell hätte ich mir diesen
Tag auch schenken können, aber was tut man nicht alles, um einen guten ersten
Eindruck zu hinterlassen.
Der darauffolgende Mittwoch war also mein erster richtiger
Schultag hier. Ich war wirklich sehr aufgeregt, aber es war eigentlich gar
nicht so besonders.
Ich hatte in der ersten Stunde Sport. Es gibt hier
anscheinend keinen festen Lehrplan für Sport. Diese Schlussfolgerung habe ich daraus
gezogen, dass meine Lehrerin uns gefragt hat, was wir gerne machen würden und
aus unseren Wünschen hat sie einen Zeitplan erstellt. Ich muss sagen, dass mir
der Sportunterricht hier recht gut gefällt, da wir nichts anderes tun als
verschiedene Sportarten zu spielen. Hier ist nichts mit Leichtathletik oder
Geräteturnen. Ich weiß allerdings noch nicht genau, wie der Sportunterricht
bewertet wird oder ob man überhaupt eine Note bekommt, weil wir jede Stunde
etwas anderes machen und es keine Leistungskontrollen gibt. Das werde ich noch herausfinden.
In der Turnhalle trägt man keine Sportschuhe, sondern geht mit Socken. Manche
treiben es sogar so weit, dass sie auch auf dem Kunstrasenplatz, auf dem wir
meistens Unterricht haben, aus Prinzip keine Schuhe tragen. Es gibt hier außerdem andere Sportarten als in
Deutschland oder zumindest welche von denen ich noch nie gehört hab. Wir haben
bis jetzt Booboll, Flaskboll und Ultimate Frisbee gespielt, ausgehend von dem,
was mir neu war. Booboll ist im Prinzip wie Brennball, allerdings hat man
keinen Ball, den man ins Feld wirft, sondern einen Baseballschläger und einen
Tennisball. Außerdem rennt man nicht im Kreis bzw. im Viereck, sondern im
Zickzack. Ich denke, dass es sich hier, um eine finnische Sportart handelt. Ein
Mädchen hat mir auch erzählt, dass es Finnlands Nationalsport ist, deshalb
liegt die Vermutung nahe. Flaskboll ähnelt hingegen Rugby. Der einzige Unterschied
liegt darin, dass man nicht wirklich tackelt, sondern man ein Band, von welchen
jeder Spieler jeweils zwei an der Hüfte trägt, wegzieht und das gilt dann als
Tackle. Hierbei weiß ich nicht, ob es ein finnischer Sport ist, wie auch bei
dem darauffolgendem. Ultimate Frisbee hört sich nicht sehr finnisch an, aber
ich kannte es nicht. Wir hatten zwei Teams und haben uns eine Frisbee zu
geworfen und versucht sie ins Tor des gegnerischen Teams zu befördern. Wenn die
Frisbee runterfällt, bekommt das andere Team sie. Ich glaube, mehr hab ich zu
Sport nicht zu erzählen.
Danach hatte ich drei Freistunden und bin in die Stadt
gegangen, um mir ein paar Sachen für die Schule besorgt.
Als letzte Stunde hatte ich Mathe. Ich war recht überrascht,
da wir die ersten zwei Wochen nur Bruchrechnen gemacht haben. Ich weiß nicht,
ob ich in einer Art Wiederholungskurs bin oder so was, aber meine Mitschüler
sehen teilweise so aus als ob sie noch nie etwas von Brüchen gehört haben. Eine
andere Austauschschülerin hat mir auch erklärt, dass sie im Mathe-Leistungskurs
auch nur Bruchrechnen, dadurch komme ich mir weniger veräppelt vor. Trotzdem
merkwürdig.
Am Donnerstag hatte ich meine erste Kunststunde und ich muss
sagen ich bin beeindruckt. Hier legt man wirklich Wert darauf, dass die Schüler
sich selbst verwirklichen und es wird gefördert, dass man sich und seine
Verhaltensweisen in seinen Kunstwerken reflektiert. Im Allgemeinen habe ich das
Gefühl, dass die Lehrer die Schüler mit mehr Respekt und Interesse behandeln
als von manchen Lehrern in Deutschland. Im Unterricht herrscht eine ganz andere
Atmosphäre als in Deutschland. Ich möchte euch nun von diesem Wunderland erzählen,
in dem man Kaugummi kauen, mit seinem Smartphone spielen, Musikhören und Kommen
bzw. Gehen darf, wie man will. Es ist herrlich. Außerdem zeigt es auch eine Art
Respekt, dass die Schüler selbst entscheiden dürfen, ob es für sie erforderlich
ist dem Unterricht zu folgen. Auch wenn sich viele trotz dessen auf den
Unterricht konzentrieren, reicht es doch zu wissen, dass man diese Freiheiten
hat. Hausaufgaben scheinen hier auch mehr als Angebot als, als Pflicht
angesehen zu werden, trotzdem machen sie die meisten Schüler, da sie in
Vorbereitung auf die Prüfung gelten.
Wie bereits erwähnt, habe ich noch zwei weitere Kurse,
Englisch und Französisch, über diese möchte ich auch ein paar Worte verlieren.
Zu meinem Französischkurs habe ich keinen richtigen
Vergleich, da ich in Deutschland Latein gelernt habe. Da Französisch eine
gesprochene und Latein nur eine geschriebene Sprache ist, ist es sehr verschieden.
Der Unterricht macht mir eigentlich Spaß. Das einzig besondere ist, dass wir
nur fünf Leute im Kurs sind, was recht nett ist.
Mein Englischkurs ist, meiner Meinung nach, sehr verschieden
zu meinem Englischunterricht in Deutschland. Die meiste Zeit spricht meine
Lehrerin Schwedisch, außerdem werden recht wenig mündliche Übungen
durchgeführt, sondern mehr schriftlich gemacht, und wir arbeiten nicht so viel
an Texten. Ich weiß noch nicht, ob das gut oder schlecht ist. Ich finde, aber
den finnischen oder schwedischen Akzent im Englischen echt niedlich.
Im Ganzen bin ich sehr zufrieden mit meiner Situation hier.
Auch wenn es in der ersten Woche sehr schwer war mit anderen ins Gespräch zu
kommen, da ich einfach komplett ignoriert wurde als ich versucht hab andere
anzusprechen. Recht lustig. Ich fand es auf jeden Fall zum Lachen. Aber das hat
sich in der zweiten Woche gelegt und ich hab ein paar nette Leute
kennengelernt. Viele sind aber zu schüchtern Englisch zu sprechen und entschuldigen
sich immer für ihr schlechtes Englisch, was überhaupt nicht schlecht ist.
Allerdings muss ich sagen, dass das Englisch der anderen nicht besser ist als
meins, obwohl die Sprachkenntnisse der Skandinavier immer so hoch gelobt
werden. Trotzdem komme ich mir reichlich fehl am Platz vor, wenn sie so was
sagen, da ich eigentlich keine andere Wahl hab als mein „schlechtes“ Englisch
zu gebrauchen.
Ich sollte anfangen weniger zu schreiben. In Deutschland kam
so wenig und jetzt kommen nur noch so ellenlange Texte. Ich werde mich
anstrengend.
Heidåg
(Ich hab es endlich hinbekommen. Applause, bitte)
Marie Luise
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